Status quo
Die sachgerechte Bearbeitung von Unterhaltsschäden ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Sie erfordert detailliertes fachliches Wissen und Erfahrung im Umgang mit Anspruchstellern, deren Rechtsvertretern sowie den Sozialversicherungsträgern. Die besondere Bedeutung dieser Schäden ergibt sich auch daraus, dass sie sehr teuer sein können.
Die Ansprüche der Hinterbliebenen werden in über 90 % der Fälle im Rahmen eines Vergleichs durch Kapitalzahlungen abgefunden. Zur richtigen Vorgehensweise und zur Festlegung der erforderlichen Schlüsselparameter für die Ermittlung eines Abfindungsbetrages – wie z. B. des Kapitalisierungszinssatzes – bestehen teilweise große Unsicherheiten. Dies zeigt sich in der aktuellen öffentlichen Diskussion, z. B. auf dem 57. Deutschen Verkehrsgerichtstages im Januar 2019 oder in dem aktuellen Beitrag von Dr. Timo Car und Dr. Jan Mittelstädt „Kapitalisierung von Rentenansprüchen” (VersR 2018, 1477). Der Arbeitskreis IV des Verkehrsgerichtstages empfiehlt mit knapper Mehrheit, „dass die Haftpflichtversicherung auf ihre Kosten dem Geschädigten die Berechnung des Abfindungsbetrages durch einen unabhängigen Sachverständigen ermöglicht“. Aus unserer Sicht sollten Versicherungen versuchen, von sich aus aktiv der Zielsetzung dieser Empfehlung zu entsprechen, indem sie eine umfassende und gut verständliche Darstellung sowohl der Berechnungen als auch der verwendeten Anspruchsgrundlagen bereitstellen. Dies kann die allseits angestrebten Verhandlungen „auf Augenhöhe“ unterstützen bzw. ermöglichen.
Herausforderungen bei der Regulierung
Die Bearbeitung von Unterhaltsschäden dürfte durch diese Maßnahmen und die Einführung des Hinterbliebenengeldes sowie die detaillierte Berechnung der Ansprüche auf Naturalunterhalt (Betreuungsunterhalt) deutlich aufwendiger werden. Hinzu kommt: Viele Unternehmen stehen vor einem Generationswechsel, bei dem erfahrene – manchmal aber nur wenig technikaffine – Sachbearbeiter durch Kollegen abgelöst werden, die zu Beginn über nur begrenzte fachliche Erfahrungen verfügen, aber ausgeprägte Erwartungen hinsichtlich des Umfangs der technischen Unterstützung der Arbeitsprozesse haben.
Um diese Herausforderungen zu bestehen, sollten die Versicherungsunternehmen ihre Vorgehensweisen klar strukturieren, mit geeigneten Vorgaben standardisieren sowie in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Diese Maßnahmen müssen durch geeignete Software/Tools unterstützt werden.
Die Schadenabteilung der Gen Re unterstützt ihre Kunden bei der Bewältigung der skizzierten Herausforderungen durch drei aufeinander aufbauende Angebote:
- Kern der Unterstützung ist das neu entwickelt Tool „Gen Re – Unterhaltsschaden (UHS)“, mit dem die erforderlichen Berechnungen strukturiert und zum größten Teil automatisiert werden können.
- Mithilfe des Tools können zusätzlich die Mitarbeiter in der Bearbeitung von Unterhaltsschäden geschult werden.
- Schließlich erlaubt das Tool eine einfache Überprüfung einzelner Schadenfälle auf Plausibilität und Konsistenz der Bearbeitung.
Ablauf einer Tool-unterstützten Bearbeitung von Unterhaltsschäden
Die Bearbeitung von Unterhaltsschäden besteht idealtypischer Weise aus folgenden Teilschritten:
- Erhebung der erforderlichen Angaben von dem/den Anspruchsteller/n
- Prüfung bzw. Klärung der Haftungsquote
- differenzierte und taggenaue Prognose der individuellen Anspruchszeiträume der Unterhaltsberechtigten, abhängig von deren Erwerbsstatus sowie der Familiengröße
- Berechnung der Rentenhöhe für alle Unterhaltsberechtigten. Eine differenzierte Berechnung für die einzelnen Zeiträume ist erforderlich, da sich die Rentenhöhe in den Zeiträumen zum Teil deutlich unterscheidet.
- Kapitalisierung der Rentenansprüche. Die Kapitalwerte sind die Basis für die Erstellung der Abfindungsangebote an den/die Unterhaltsberechtigten sowie die Prüfung der Abfindungsangebote der SVT.
- Vorbereitung, Verhandlung und Abschluss der Abfindungsvereinbarungen mit den Unterhaltsberechtigten sowie den regressierenden Sozialhilfeträgern
Eine Unterstützung durch Tools ist unserer Einschätzung nach dann besonders wirksam, wenn durch ein integriertes Werkzeug wie Gen Re UHS alle Schritte flexibel und nutzerfreundlich abgedeckt werden.
Besondere Aspekte der einzelnen Berechnungen
Bei den einzelnen Berechnungen sind unserer Ansicht nach folgende Detailaspekte, die durch unser Tool unterstützt werden, von besonderer Bedeutung:
Taggenaue Prognose der individuellen Anspruchszeiträume
Die taggenaue Prognose der Anspruchszeiträume ist eine Vorbedingung für die exakte Berechnung der Unterhaltsansprüche. Gen Re UHS ermittelt diese abhängig von Alter und Erwerbsstatus der Unterhaltsberechtigten. Dabei stellt sich das Problem, dass der Anspruch auf Naturalunterhalt bei den Kindern mit Ende des 18. Lebensjahres endet. Im Gegensatz dazu besteht Anspruch auf Barunterhalt bis zum Ende des ersten Ausbildungsabschnittes. Bei einer vermutlich angestrebten akademischen Ausbildung ist daher zu entscheiden, bis wann diese Ausbildung voraussichtlich dauert.
Bei mehreren Kindern kann sich durch die Überschneidung der Berechtigungszeiträume ein sehr komplexes Muster ergeben. Um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu halten, rechnet das UHS-Tool bei Kindern die Ansprüche auf den Bezug von Naturalunterhalt in einen Zuschlag zu deren Barunterhalt um. Die Details dieser Umrechnung können auf Wunsch individuell angezeigt werden.
Berechnung der Rentenhöhe
Vor Berechnung der Rentenansprüche sind für alle Unterhaltsberechtigten die relevanten Parameter zu prüfen und zu erfassen. Im Einzelnen sind dies neben der Haftungsquote
- Höhe des Nettoeinkommens (bei Beamten Höhe des Bruttoeinkommens)
- Höhe der haushaltsbezogenen Fixkosten
- Basisdaten für die Ermittlung des Naturalunterhalts
- Höhe der von SVT oder Dienstherr gezahlten Renten (bei Beamten zuzüglich der Steuern auf das Witwen- bzw. Waisengeld)
Die Höhe des Nettoeinkommens hat unmittelbare Auswirkungen auf die Unterhaltsansprüche. Wir halten es daher für sinnvoll, die Angaben zum Bruttoeinkommen und zur Höhe der relevanten Abzüge (vor allem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, aber auch freiwillige Versicherungen, berufsbedingte Aufwendungen und sonstige regelmäßige Lasten) differenziert zu prüfen und im Tool in einer Checkliste zu erfassen. Für eine erste Anfangsreserve oder Fälle mit klaren Einkommensverhältnissen ist auch eine Eingabe als Gesamtbetrag möglich.
Ähnliches gilt für die haushaltsbezogenen Fixkosten. Zwar haben diese Kosten nur zum Teil Auswirkungen auf die Rentenhöhe, dafür existieren größere „Gestaltungsfreiräume“ bei der Angabe der Fixkosten. Auch hier schlagen wir vor, die im Tool enthaltene Checkliste für eine detaillierte Prüfung und Erfassung der Angaben zur Höhe der Fixkosten zu nutzen. Für überschlägige erste Berechnungen ist auch hier die Eingabe eines Gesamtbetrages vorgesehen.
Die Erfassung der Angaben für die individuelle Berechnung des Naturalunterhalts folgt dem in der Literatur dargestellten Konzept. Die Höhe des Unterhalts ergibt sich als Produkt aus dem Arbeitszeitdefizit in Zeitstunden pro Woche, das vor allem von der Haushaltsgröße abhängig ist, und einer einzugebenden Bewertung des Geldwertes einer Zeitstunde. Das Tool bietet dabei große Freiräume bei der Festlegung der einzelnen Werte, sichert aber die Einhaltung des grundsätzlichen Konzepts und verhindert Rechenfehler.
Den letzten Schritt bei der Erfassung der Ansprüche bildet die Erfassung der von den SVT (bei Beamten den Dienstherren) gezahlten Witwen- und Waisenrenten. Dabei können Rentenzahlungen von bis zu drei Leistungsträgern erfasst werden. Bei Beamten ist zusätzlich die Erfassung einer „Mehr-Steuer“ auf die geleisteten Bruttobeträge vorgesehen.
Auf Basis dieser Angaben berechnet Gen Re UHS anschließend für alle Anspruchsteller und alle relevanten Bezugszeiträume die Höhe der Renten sowie der SVT-Regresse. Eine aufwendige interne Logik stellt sicher, dass abhängig von Erwerbsstatus, Familienstellung, Einkommen aller Beteiligten, Höhe der fixen Kosten sowie der Haftungsquote alle aktuellen Vorgaben für die Berechnungen berücksichtigt werden. Für die Sonderfälle der SVT-Ansprüche bei Mithaftung der getöteten Person und der Auswirkungen von § 116 Abs. 5 SGB X (Rentenansprüche NACH Eintritt in die (fiktive) Altersrente) werden dabei entsprechend Warnhinweise und Erläuterungen angezeigt.
Für uns war es ein besonderes Anliegen, bei allen Berechnungen optional die jeweils verwendeten Rechenwege einschließlich aller Zwischenergebnisse mit Erläuterung darstellen zu können, um allen Beteiligten eine gutes Verständnis der Berechnungswege und der Ergebnisse zu ermöglichen.
Datenerfassung und Berechnung auch komplizierter Unterhaltsschäden erfordern nur wenige Minuten. Dies führt zu einer deutlichen Zeitersparnis gegenüber einer manuellen Berechnung, zudem verhindert das Tool (Rechen-)Fehler. Als weiteren wichtigen Vorteil sehen wir die Möglichkeit, die Auswirkungen unterschiedlicher Annahmen zu den zugrunde liegenden Daten durch individuelle, fallbezogene Simulationen einfach und schnell bewerten zu können.
Kapitalisierung der Rentenansprüche
Der letzte, ebenfalls automatisch durchgeführte Berechnungsschritt ist die Ermittlung der Kapitalwerte aller Rentenansprüche sowie der SVT-Regresse. Hierfür müssen bei der Erfassung der Basisdaten für den jeweiligen Schadenfall die zu verwendende Sterbetafel ausgewählt und die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes sowie der in Zukunft erwarteten Inflationsrate eingegeben werden.
Die Festlegung dieser Größen hat entscheidende Auswirkungen auf die Höhe der jeweiligen Kapitalwerte. Für keine der Größen gibt es eindeutige Erwartungen oder Vorgaben zu ihrer Ermittlung. Unseres Erachtens kann im Rahmen von Vergleichsverhandlungen nur versucht werden, zwischen den Beteiligten Einvernehmen hinsichtlich der drei Größen zu finden, die sowohl für die Anspruchsteller als auch die Versichertengemeinschaft akzeptabel sind. Unser Tool kann diesen Prozess unterstützen, da es die Auswahl aus drei aktuellen Sterbetafeln anbietet, die freie Eingabe von Zinssatz sowie Inflationsrate ermöglicht und die sich daraus ergebenden Kapitalwerte umgehend berechnet. Zudem können alle Barwertberechnungen individuell im Detail angezeigt werden. Dies erlaubt neben der Qualitätssicherung eine verständliche und nachvollziehbare Simulation der finanziellen Auswirkungen der gewählten Annahmen.
Zusammenfassung
Versicherungsunternehmen stehen bei der Bearbeitung von Unterhaltsschäden vor zunehmenden Anforderungen hinsichtlich Detaillierungsgrad und Dokumentation der Anspruchsgrundlagen und der darauf beruhenden Berechnungen. Eine offene und transparente Kommunikation dieser Daten kann die allseits angestrebte „Verhandlung auf Augenhöhe“ zwischen Anspruchstellern und Versicherungen fördern. Deren zeitnahe und kostengünstige Beschaffung ist durch den Einsatz geeigneter Softwaretools wie z. B. Gen Re UHS möglich, ohne dabei die Kontrolle über die Daten aus der Hand des Sachbearbeiters zu geben.
Das Gen Re-UHS-Tool kann darüber hinaus auch für kleinere Versicherungsunternehmen einen Beitrag zu einer Chancengleichheit zwischen den Beteiligten leisten. Sozialversicherungsträger verfügen schon seit Längerem über spezielle Systeme, um die Berechnung von Regressforderungen weitgehend zu automatisieren. Auch für Anwälte gibt es Software, die die Berechnung von Unterhaltsschäden (teilweise) übernehmen. Mit unserem Tool kann ein eventuell bestehender Rückstand mehr als ausgeglichen werden.1
Endnote
- Weitere Informationen zu Gen Re – Unterhaltsschaden (UHS) finden Sie auf unserer Webseite.