Die Leistungsregulierung in der öffentlichen Wahrnehmung
Die Leistungsprüfung in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung steht immer wieder in der Kritik. Auch wenn die von den Medien angeprangerten Missstände objektiven Faktenchecks nicht standhalten, erweist es sich als schwierig, die Öffentlichkeit von der tatsächlichen Qualität der Leistungsprüfung zu überzeugen.
Als Beispiele aus dem Katalog der öffentlichen Angriffe seien an dieser Stelle nur die Behauptungen einer sehr hohen Ablehnungsquote oder zahlreicher Gerichtsprozesse genannt. Dabei liegt die Anerkenntnisquote in Berufsunfähigkeitsverfahren zwischenzeitlich bei ca. 80 % (!) der angemeldeten Ansprüche, wohingegen die Prozessquote nur geringe 2 % beträgt und überdies nur 15 % der geführten Prozesse verloren werden. In letzter Zeit wird das Angriffsfeld der öffentlichen Erregung um den Umstand fehlender fachlicher Expertise im Leistungsprüfungsprozess und vor allen Dingen unzureichender Konsistenz der Leistungsentscheidungen erweitert. Kurz gesagt: Wenn der Versicherte X beim Versicherer Y einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit platziere, könne er bei zehn verschiedenen Sachbearbeitern zehn verschiedene Leistungsentscheidungen erwarten.
Dass auch dieser Vorwurf in weiten Teilen an der Regulierungswirklichkeit der Versicherer vorbeigeht, hat die Gen Re im Jahr 2017/2018 in einer großen Marktanalyse, an der 24 Erstversicherer mit einem jährlichen Berufsunfähigkeits-Leistungsfallvolumen von 40.000 Erst-/Nachprüfung) teilgenommen haben, untersucht und festgestellt, denn bei der qualitativ anspruchsvollen Umfrage, die alle relevanten Teilgebiete der BU-Leistungsprüfung – Beruf, finanzielle LP, Medizin, Recht – umfasste, lag die Quote richtiger Antworten zwischen 76 und 90 %. Zudem war bei den einzelnen Versicherern durchweg eine sehr hohe Konsistenz der Antworten der Leistungsprüfer erkennbar.
Trotzdem weist dieser Vorwurf auf eine offene Flanke in der heutigen Leistungsbearbeitung hin, die darin zu sehen ist, dass die Branche gerade auch in der Leistungsprüfung konsequenter die Perspektive der versicherten Kunden und Anspruchsteller berücksichtigen sollte. In diesem Zusammenhang sind dann etwa auch Vorwürfe des Zermürbens der Versicherten durch „endlose“ Fragenkataloge, häufiges und unnötiges Nachfragen und eine zu lange Prüfungsdauer zu hören. Es stellt sich die Frage, was ist dran an der Schilderung der Regulierungswirklichkeit durch die öffentlich wirksamen Akteure, die aufseiten der Versicherten tätig sind? Und welche Möglichkeiten gibt es, den Workflow in der Leistungsregulierung nachhaltig so zu optimieren, dass der Kunde ebenso davon profitiert wie der Versicherer?
Facetten der Leistungsregulierung im Jahr 2019
Auch wer heute, also im Jahr 2019, in Leistungsabteilungen deutscher Versicherer kommt, den überrascht nicht selten der Flair der „guten alte Zeit“. Ordnerrücken, Papierberge, physische Poststapel, große Aktenschränke füllen das Bild ebenso wie moderne Telefonanlagen und Computer mit – gelegentlich – großformatigen Bildschirmen. Als Gegenmodell dazu fordern die Interessenvertreter der Versicherten selbstverständlich, es sei zwischenzeitlich zeitgemäß, wenn der Versicherte während des möglichst kurzen und knappen Leistungsprüfungsverfahrens jederzeit und ortsunabhängig eigenständig erkennen könne, wie denn der Stand der Bearbeitung seines Leistungsantrags sei. Die Prozesse vom Kunden her zu denken und umzusetzen, ist auch in der Welt der Leistungsregulierung eine Forderung, die in einem von großen Internetanbietern wie Amazon geprägten Umfeld naheliegt.
Nur einige Marktteilnehmer sind jedoch bisher in der Leistungsprüfung vollständig im elektronischen und digitalen Zeitalter angekommen. Die überwiegende Zahl der Versicherer arbeitet auch heute noch in „Hybrid“-Umgebungen, in denen papiergebundene Akten und elektronische Systeme eine Einheit zu bilden versuchen.
Vorteile der elektronischen/digitalisierten Leistungsprüfung
Jedem Marktteilnehmer ist zwischenzeitlich klar, dass eine komplett elektronische und digitalisierte Leistungsprüfung sowohl technisch als insbesondere auch wegen des besseren Workflows erstrebenswert ist. Sie bewirkt z. B. durch eine technisch und datenschutzrechtlich abgesicherte Ausweitung der Homeoffice-Tätigkeit positive Effekt nach innen als auch durch eine kundenorientiertere Workflowsteuerung nach außen. Gerade die Kundenorientierung kann durch internetbasierte Kundenportale und Plattformen mit einem elektronischen Workflow viel konsequenter umgesetzt werden. Ein Leistungsfall-Tracking mit Features unterschiedlicher Komplexität kann heute technisch relativ einfach zur Verfügung gestellt werden:
- Im ersten Schritt eine Information über den Stand der Bearbeitung und der Kommunikation mit Dritten,
- im zweiten Schritt weitergehende Zugriffsmöglichkeiten wie Lesezugriffe auf den freigegebenen Teil der Akte, durchaus auch inklusive der enthaltenen Gesundheitsdaten, und
- im dritten Schritt Up- und Download-Funktionen.
In absehbarer Zeit vorstellbar ist dann auch ein direkter, chatbasierter Dialog mit dem Sachbearbeiter oder zukünftig gar dem Chatbot, der auf der Kundenseite den Service durch Flexibilität und Schnelligkeit ausbaut und auf der Seite des Versicherers heute noch benötigte Kommunikationsressourcen, etwa für Telefonie, verringert.
Der typische Workflow in der Leistungsregulierung sieht heute noch so aus, dass auf einen Antrag eines Versicherten ein Erstauskunftsfragebogen versandt wird, in dem sich der Versicherte zu wesentlichen Punkten wie beispielsweise der Klärung des Berufsbilds, der Erkrankung, den behandelnden Ärzten, dem Einkommen und anderweitigem Versicherungsschutz äußern soll. Nach dem Rücklauf des Fragebogens löst der Leistungsregulierer diverse Anfragen an dritte Beteiligte aus, die er dann wiederum auswertet und nach etwaigen Rückfragen zum Abschluss der Leistungsprüfung als Entscheidungsgrundlage wieder zusammenführt. Dabei kann im Einzelfall eine medizinische Begutachtung, die intensive juristische Klärung von Detailfragen oder aber auch eine genaue Analyse von finanziellen und betriebswirtschaftlichen Daten – etwa bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit von Selbstständigen – erforderlich sein. Während statistische Daten zu Durchlaufzeiten, Bearbeitungsstellen und anderen administrativen Informationen heute überwiegend nur manuell erfasst und ausgewertet werden, könnten bei Nutzung der zwischenzeitlich gegebenen technischen Möglichkeiten und Funktionalitäten solche Analysen inklusive der automatischen Verknüpfung und Überprüfung der Daten deutlich beschleunigt, erleichtert und sicherer gestaltet werden. Allein dies würde zu erheblichen Effizienzgewinnen führen.
Erfahrungen aus dem Sachschadenbereich
Der Wunsch nach spezifischen Leistungsprüfungssystemen oder qualifizierten modernen technischen Lösungen für den Prozess der Regulierung von biometrischen Risiken ist also naheliegend – gerade weil es sich insbesondere in der Berufsunfähigkeitsversicherung um einen komplexen Prozess handelt. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich etwa im Sachschadenbereich das digitale Claims Management schon größerer Verbreitung und Beliebtheit erfreut. Dort sind zentrale Arbeitsplattformen, die Prozessbeschleunigung, die Automatisierung von Prozessen, das Vertragsmanagement und das Leistungsmanagement teilweise schon in einer erstaunlichen Tiefe vorhanden. Auch der elektronische Datenaustausch zwischen Versicherern und Dienstleistern, die zentrale Pflege, regelbasierte Suche und Beauftragung von externen Dienstleistern, das Finden von relevanten Kennzahlen auf dynamisch aktualisierten Dashboards und Reports als auch eine automatisierte Kommunikation mit am Schadenprozess beteiligten Dritten gehören zum Standard (Beispiele: SoftProject, ACTICO, adesso insurance solutions).
Die entsprechenden Tools und Prozesse könnten nicht einfach auf den Bereich der biometrischen Risiken übertragen werden, denn im Biometriemarkt sind beispielsweise diffizile Datenschutzfragen beim Umgang mit höchst sensiblen persönlichen Daten zu berücksichtigen. Darüber hinaus lässt sich mit den relativ geringen Fallzahlen im Vergleich zu Kfz- und Sachschäden nur ein kleiner Datenpool von biometrischen Leistungsfällen aufbauen. Unter diesen Bedingungen ist es bisher so, dass vor allen Dingen Rückversicherer technische Lösungen für die Leistungsregulierung von biometrischen Leistungsfällen geschaffen haben. Am deutschen Markt sind aktuell drei Leistungsprüfungssysteme von Rückversicherern im praktischen Einsatz. Eines davon, das System Companion, stammt aus dem Haus der Gen Re.
Was kann Companion?
Companion erleichtert eingebettet in transparente und anwenderfreundliche Arbeitsschritte durch individualisierbare Nutzerrollen und angepasste Regelwerke den Leistungsprüfern einen effizienten Know-how-Einsatz. Die kontinuierliche fachliche und damit auch persönliche Weiterentwicklung der Leistungsprüfer stützt das System zum Beispiel durch den integrierten Zugang zu Informationsdatenbanken wie Beck-Online. Sämtliche Arbeitsschritte werden einheitlich dokumentiert und sind deshalb jederzeit für jeden nachvollziehbar. Mit Companion sind alle mit den eingegebenen Daten möglichen Verknüpfungen und Auswertungen durchführbar. Über die Historienfunktion ist zudem eine lückenlose und revisionssichere Dokumentation der Bearbeitung Standard.
Das den Workflow leitende Basisregelwerk, die umfangreiche Berufe-Datenbank und die für jede Prüfungssituation individuell konfigurierbare und auslösbare Korrespondenz erleichtern die Bewältigung hoher Arbeitslasten und führen deshalb auch zu einer zügigeren Leistungsprüfung. Alle relevanten Prüfungsfelder der Leistungsregulierung von Medizin über Beruf und Finanzen sowie die Aufklärung vorvertraglicher Umstände sind in dem System professionell hinterlegt. Eine intuitiv einfache Kommentarfunktion erleichtert Sachbearbeitern und Führungskräften die Nachvollziehbarkeit der jeweiligen Arbeitsschritte. Dies ermöglicht eine schnelle und zielgerichtete Orientierung im Fall und führt zu einer konsistenten und schnellen Leistungsfallbearbeitung. Über die offene Anbindungsoption an das jeweilige Posteingangssystem kann eine automatisierte Terminsteuerung vorgenommen werden – dies hilft Fristversäumnisse zu vermeiden.
Companion erlaubt auch die Abbildung der unternehmensspezifischen Teamstruktur über Benutzergruppen und Rollen. Führungskräfte können den Mitarbeitern – auch unabhängig von Verteilungsschlüsseln – Fälle zuweisen und damit bei Urlaub, Krankheit oder Arbeitsspitzen flexibel auf die anfallende Arbeit reagieren. Dabei sind Arbeitsvorräte, Dringlichkeiten und die versicherten Leistungen mit einem Blick auszumachen. Die Companion-Daten können zudem alle mit marktgängigen Tools visualisiert werden, sodass sich Statistik und Analysen in beliebigen Formen jederzeit erzeugen lassen.
Als Webanwendung, die den Java-Servlet-Standard 3.1 erfüllt, ist Companion auf einer Vielzahl von Web-/Application-Servern einsetzbar. Über Schnittstellen kann es mit wenig Aufwand an jegliche bestehende technische Infrastruktur angebunden werden.1
Fazit
Der Einsatz moderner Leistungsprüfungssysteme verspricht erhebliche Serviceverbesserungen im Kontakt mit dem Kunden, weil sich aus dessen Sicht ein offeneres, für ihn besser zu verstehendes Verfahren zeigt. Wenn der Versicherte, wann immer er möchte, online sehen kann, in welchem Stadium sich die Prüfung befindet und was er selbst noch tun kann, um sie zu beschleunigen und zu verbessern, wird er das Verfahren als transparenter und direkter erleben. Das stärkt ganz sicher auch das Vertrauen zu seinem Versicherer. Daneben dürfte sich zudem die durchschnittliche Prüfungsdauer verkürzen lassen, weil die aktive Mitarbeit des Versicherten möglich wird und unproduktive Phasen in der Regulierung seltener werden. Systemische Lösungen in der Leistungsbearbeitung vereinheitlichen den Workflow genauso wie die materiellen Prüfungsschritte. Das führt zu mehr Prüfungs-und Entscheidungskonsistenz.
Es sollte also mit der Nutzung professioneller Leistungsprüfungssysteme leicht möglich sein, sowohl das Angenehme – öffentliche Reputationsgewinne durch Transparenz und Vertrauensaufbau – als auch das Nützliche – interne Effizienzsteigerung durch Standardisierung – zu erreichen. Es bleibt zu hoffen, dass spätestens dann das öffentliche Rumoren leiser wird oder gar ganz verstummt.
Endnote
- Weitere Informationen zu Companion enthält der Flyer Gen Re Tools – Companion.